Wegducken geht nicht. – Politik und Krankenkassen müssen sich der Verantwortung stellen. 

Gemeinsam Verantwortung übernehmen für die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Ländlichen Raum! 

Kreistag beschließt einstimmig Resolution zur nach wie vor völlig unzureichenden Klinikfinanzierung.

Auf Anregung der Freie Wähler-Fraktion hat die Verwaltung die folgende Resolution erarbeitet, die in der Kreistagssitzung einstimmig beschlossen wurde:

 

Gemeinsam Verantwortung übernehmen 
für die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Ländlichen Raum!

Der Neckar-Odenwald-Kreis bekennt sich nachdrücklich zur dauerhaften Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung im Ländlichen Raum. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, die für die Menschen wohnortnahe, schnelle und effiziente Hilfe leisten, sind dabei ganz zentrale Bausteine. Deshalb sind wir dankbar, dass wir mit den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach und Buchen und dem kommunalen Belegkrankenhaus in Hardheim Strukturen vor Ort haben, die das derzeit noch gewährleisten.

Diese Strukturen sind aber zunehmend in Gefahr. Die Politik in Bund und Land, aber auch die immer restriktivere Haltung der Krankenkassen gefährden die flächendeckende Versorgung der Patienten aktuell mehr denn je.

Der Neckar-Odenwald-Kreis hat in einer großen kommunalen Solidargemeinschaft mit allen seinen Städten und Gemeinden allein seit 2009 rund 75 Millionen Euro Verlustausgleich für die Neckar-Odenwald-Kliniken leisten müssen, weil das System der stationären Gesundheitsversorgung in Deutschland strukturell unterfinanziert ist und insbesondere die kleineren Krankenhäuser dabei systematisch benachteiligt werden.

Die Verantwortung dafür trägt eindeutig der Bundesgesetzgeber. Während die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf der einen Seite Milliardenüberschüsse in Rücklagen angehäuft hat, die aus Sozialversicherungsbeiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern stammen, geraten vor allem kleinere Krankenhäuser im Ländlichen Raum mehr und mehr unter Druck. Gerade dort, wo die ärztliche Versorgung schon jetzt unterdurchschnittlich ist, nimmt die Politik dadurch also auch noch schmerzhafte Einschnitte im stationären Bereich in Kauf. Die Mär von angeblich gleichwertigen Lebensverhältnissen gerät so zunehmend zur Farce.

Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) hat in ihrem Indikator 2/2019 vor kurzem darauf hingewiesen, dass inzwischen 57 % aller Krankenhäuser in Baden-Württemberg Verluste einfahren. Ausgerechnet in dem Bundesland, das schon heute die geringste Bettendichte aller Flächenländer hat und in dem aufgrund seiner Wirtschaftskraft überdurchschnittlich hohe Sozialversicherungsbeiträge erwirtschaftet werden, droht damit ein weiterer Kahlschlag.

Diese Entwicklung macht gerade die Menschen im Ländlichen Raum auch emotional in ganz besonderer Weise betroffen. Viele sorgen sich zu Recht um ihre Zukunft und fühlen sich von der Politik schlicht alleingelassen. Das ist auch politisch eine Melange, die brandgefährlich wirkt.

Allein die Neckar-Odenwald-Kliniken versorgen Jahr für Jahr mehr als 60.000 Patientinnen und Patienten. Keiner der umliegenden Zentralversorger könnte das zusätzlich auch noch übernehmen. Wenn es die Neckar-Odenwald-Kliniken nicht mehr gäbe, blieben diese Menschen deshalb schlicht unversorgt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Krankenhäusern sind jeden Tag 24 Stunden für ihre Patienten da. Diese lebens- und überlebenswichtige Daseinsvorsorge wird von der Politik und den Krankenkassen bei der Finanzierung aber schlicht ignoriert. Dasselbe gilt für die Folgen des demographischen Wandels, die sich auch in einem ganz speziellen Versorgungsauftrag vor Ort abbilden. Dadurch droht auch die Notfallversorgung gerade in ländlichen Regionen mehr und mehr wegzubrechen.

Für uns ist diese Entwicklung schlicht unerträglich. Das Maß ist jedenfalls definitiv voll. Wer medizinische Hilfe braucht, muss sie – zumal in einem durch Sozialversicherungsbeiträge ausreichend finanzierten System und noch dazu in einem so reichen Land wie Deutschland – auch morgen und übermorgen bekommen. Politik muss deshalb endlich wieder vom Menschen her gedacht werden und darf nicht weiter von durchsichtigen Lobbyinteressen bestimmt sein. Krankenhäuser, die für die Versorgung vor Ort schlicht unverzichtbar sind, müssen deshalb finanziell auch so ausgestattet werden, dass sie nachhaltig überlebensfähig sind.

Statt dessen passiert momentan aber einmal mehr leider exakt das Gegenteil. Schon jetzt gehen jeden Tag in deutschen Krankenhäusern bei der Patientenversorgung mehr als 1 Million Arbeitsstunden an sinnlose bürokratische Vorgaben verloren, weil die Kontrollwut der Krankenkassen und die Überregulierung durch die Politik nicht gestoppt werden.
Jüngstes Beispiel dafür ist das MDK-Reformgesetz, das den Krankenhäusern jetzt zusätzlich auch noch Strafzahlungen auferlegt, wenn eine Abrechnung beanstandet wird. In unseren Augen ist das geradezu symptomatisch für die krankenhausfeindliche Grundhaltung des Bundesgesetzgebers, der einer Misstrauenskultur huldigt, wo gerade umgekehrt aber eindeutig Vertrauen angezeigt wäre. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus bemühen sich zweifelsohne trotz eines hochkomplexen und kaum noch überschaubaren Systems um eine korrekte und transparente Abrechnung. Stattdessen sucht der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) in deren Auftrag und mit ausdrücklicher Rückendeckung der Politik aber unentwegt selbst nach kleinsten Kürzungsmöglichkeiten und soll das jetzt auch noch mit einer Strafe sanktionieren dürfen. In einem solchen System bleibt die tatsächlich geleistete Patientenversorgung völlig unberücksichtigt. Für uns ist das deshalb ein echter Skandal.

Auch das Land Baden-Württemberg ist allerdings nicht frei von Mitverantwortung für die derzeitige Misere. So ist insbesondere die Investitionskostenfinanzierung nach wie vor bei weitem nicht ausreichend. Und: Auch die Pauschalfördermittel, die seit langer Zeit sträflich vernachlässigt werden, müssen dringend weiter erhöht werden.

Bund und Land stehen deshalb hier gemeinsam in der Pflicht. Der Neckar-Odenwald-Kreis hat als Träger der Neckar-Odenwald-Kliniken in den letzten Jahren bis an die Grenzen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit hin Verantwortung für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung vor Ort übernommen.

Auch die Politik und die Krankenkassen müssen sich dieser Verantwortung aber stellen. Wegducken geht nicht. Noch ist es nicht zu spät. Aber: es ist unübersehbar, dass hier ein gesamtes System in ganz Deutschland an die Wand zu fahren droht. Deshalb ist es jetzt dringend an der Zeit, endlich zu handeln. Das fordern wir mit Nachdruck von allen politischen Mandatsträgern in Bund und Land ein.

 

Die Kreisverwaltung ist damit befugt und beauftragt, den Text umgehend allen relevanten Verantwortungsträgern in Bund und Land zukommen zu lassen und dem Kreistag anschließend über etwaige Reaktionen darauf zu berichten.

Seitens der Freien Wähler wurde ergänzt, dass die Resolution allen kommunalen Entscheidungsgremien sowie dem Landkreistag, dem Städtetag und dem Gemeindetag Baden-Württemberg übersandt werden sollte, mit der Bitte, ggf. entsprechend zu intervenieren.

Quelle: Infosystem Kreistag Neckar-Odenwald-Kreis

Bericht der RNZ vom 31.01.2020: „Ein ganzes System droht an die Wand zu fahren“

 


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